DAMPFACH (SCHLAMMFACH) – ZELT-AIR – 20.5.2006

Wir verlassen das malerische Vacha bei strahlendem Sonnenschein und fahren von Thüringen nach Franken. Die bundesweit traditionell bestens propagierte Bratwurstqualität der Güteklasse 1a bleibt uns also trotz Ländergrenze erhalten.

Konträr zu dieser Art der rustikalen Verköstigung versorgt Bandvitaminator Achimo die Truppe ausdauernd mit eigenhändig geschältem Obst aus aller Herren Länder. Ein engagierter Vitaminapostel vom Feinsten. Wir leben so gesund, daß die Kopfhaut prickelt. Und das soll sich später noch als vorteilhaft erweisen...

Die Farbe des halbwegs freundlich anmutenden Himmels schwenkt – aus BO Sicht – langsam zurück in die Zeit von „Es ist soweit“. Relativ düster wird es.

Das nicht eben kleine Zelt für den Auftritt der Bande ist auf 2000 Leute ausgerichtet und steht inmitten einer unberührten Landschaft. Von Franken-Power, einigen Camping Zelten und äsendem Wild einmal abgesehen.

Der erste, weite Weg zur Bühne wirkt wabernd und ein wenig wackelig. Man/Frau bewegt sich hauptsächlich auf hölzern Kleingehäkseltem. Kollege Wasserfall hat kürzlich massiv zugeschlagen und den Rasengrund dermaßen aufgeweicht, daß erwähnte Füllungen in der Wiese Dellungen unumgänglich vonnöten sind. Ein idealer Untergrund auch für Leute, die sich beim Pogen langlegen. Blaue Flecken? Is´ nicht. Insofern Dank an Matze vom BOSC ob dieser ersten Schlamm abwehrenden Maßnahme.

Die zweite Matsch bedingte Notwendigkeit besteht aus einem Traktor der rustikaleren Bauart. Ein echter landwirtschaftlicher Maleschen Bereiniger. Denn, das nicht eben untergewichtige ENKELZ Equipment muß erst einmal auf Paletten verladen werden, die der Trecker dann mit Gabelstaplergeschirr vom relativ weit entfernt geparkten Bandbus durch den mehr als moderigen, fast schon moorigen Untergrund zur Bühne karrt. Dank an Fahrer Alex, Spitzname F... You!

Erstaunlich und absolut aufwendig, was die Jungs so an sämtlichen Notwendigkeiten für ein gelungenes Konzert mitten in die Wildnis gezaubert haben. Respekt!

Alles steht und der Soundcheck beginnt. Zumindest für ca. 20 Minuten, doch dann demonstriert uns die Natur drastisch, wer letztlich immer noch Herr im „Hause“ ist.

Der Gott des Zorns schwingt die Keule und Wotans wahrhaft wahnwitzige Windwalze bricht unvermittelt ungestüm und wütend wirbelnd über uns herein. Was anfänglich kurz wie das Plagiat einer Elbe Brise als Willkommensgruß für Nordlichter belächelt wird, ist auf einmal gar nicht mehr witzig und erst recht nicht ungefährlich.

Der Himmel dröhnt urplötzlich im derben dunkelgrau, es schüttet hemmungslos wie aus Kübeln, die Temperatur sinkt schlagartig um mindestens zehn Grad. Der Sturm gedeiht zum Orkan, während sich das gepeinigte Zelt ächzend und ohrenbetäubend flatternd zu verabschieden droht.

Die gesamte linke Seite, lockere 130 Meter lang, knattert bis teilweise ca. 4 Meter über der Erde, die schrägen Aluminium Dachbalken mutieren zu einer Art Ziehharmonika mit „La Ola“ Welle und Pflöcke in Arm Länge hängen – ihrer Funktion beraubt – an den Sicherungsleinen, teils völlig verbogen, grotesk kreiselnd in der Luft.

Zu retten ist mit menschlicher Physis rein gar nichts mehr. „Alle sofort raus hier“ heißt die gegen den Sturm gebrüllte Devise.

Nur wohin? Im Falle X den gesamten Kladderadatsch in den Nacken geweht zu bekommen ist ein wenig prickelnder Gedanke. Also ab in den harmonisch schwankenden BOSC Bus, erst mal die triefenden Klamotten ausgewrungen und sich schrägen Gedanken hingegeben. Überlebt die Band Anlage? Falls nicht, wie geht es weiter? Usw.

Der Spuk ist zwar nach ca. 25 Minuten vorbei, jedoch denkt zu diesem Zeitpunkt keiner, daß das Konzert doch noch stattfindet, zu heftig sind die Schäden an der Royal Plastic Hall.

Fundierte Hilfe in Theorie und Praxis bietet die „Freiwillige Feuerwehr Dampfach“, die sich als absolut professionelle Brigade gegen Sturmschäden erweist und mächtig Hand und Gerätschaft anlegt. Die ackern zusammen mit Alex und seinem Traktor unermüdlich bis die Hütte wieder grade steht und verdienen sich durch diese Glanzleistung einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der FGZRVRK (Fränkische Gesellschaft Zur Rettung Von Rock Konzerten) Logisch, das der fleißige Trupp später auf der Bühne von Achimo noch einmal ausdrücklich bedankt wird. Ihr seid großartig!

Also doch noch Lieder wie Orkane nach dem Orkan für die Lieder. Immerhin finden sich trotz der widrigen Umstände gut 1000 Fanz ein. Weitaus weniger als erwartet. Aber verständlich. Wer fährt schon gerne Auto, wenn serienweise Scheunendächer, Schindeln, Schiefer, Äste und Ähnliches auf die Windschutzscheibe prasseln......?

Günter und ein Teil seines Clans haben ihr Erscheinen trotzdem wagemutig durchgezogen und überreichen der Bande stolz ein nicht eben kleines Transparent mit den Antlitzen der „geächteten Vier“ samt integriertem Bandlogo. Und das in Farbe. Grandiosus pastellus.

Gerockt wird wie üblich mächtig, hingebungsvoll und erfolgreich. Die 3 Stunden bei bester Laune vergehen wie im Flug, zumal weitere terroristische Himmelsaktivitäten ausbleiben.

Der Weg vom Backstage Container zum Bandbus gerät dann zu einer Art Wattwanderung kurz nach Einsetzen der Ebbe. Es matscht, quatscht und sumpft gewaltig, Schuhwerk ist nicht mehr erkennbar. Aber Schlammpackungen sollen ja gesund sein, andere Leute löhnen dafür, wir haben das Ganze gratis, allerdings nur bis zu den Waden. Achimo schlüpft dann später in Cowboystiefel, eine stilistische Neuerung, die spontan zur „Fremdbebottung“ erklärt wird. Immerhin bleibt der Trecker mit der Anlage auch unter nunmehr weitaus erschwerten Umständen nicht stecken. Die Schlammfach findet also einen gelungenen Abschluß.

Ein angenehmes Landhotel wartet auf uns. Wir nächtigen in Obertheres, oder probieren es zumindest. Denn die nicht eben löblich besungene „Kirche“ schlägt erbarmungslos zurück. Früh am Morgen werden diverse Male ausgiebig Kirchenglocken gezündet und die Dinger ballern astreinen Bronze Metal nach Heavy Art.

Etappenweise proben wir eine neuzeitliche Sportart: Extrem Einschlafing. Ein durchaus meldepflichtiger Fall an das Zentralbüro für konfessionell bedingte akustische Abstrusitäten.

Wir steuern Richtung Heimat. Unterwegs noch ein paar Preßfleisch Bobbel vom Gockel mit fragwürdiger Currysauce. Ansonsten lauern die Waschmaschinen auf die mittlerweile zahlreichen verkrusteten Wäschestücke. Schafft die „Lavamat“ die monströse Mischung aus Humus, Muttererde und Lehm? Egal – Schlamm drüber.

Knutzen